Was sollten Sie bei der Erstellung von Dateien, die übersetzt werden sollen, beachten?
Der berühmte italienische Schriftsteller und Übersetzer Italo Calvino sagte einmal (sinngemäß), dass der Übersetzer der beste Leser eines Autors sei und ihm dabei helfen könne, genau zu verstehen, was er geschrieben hatte und warum. Wenn wir als Übersetzer:innen Fragen stellen oder auf Ungereimtheiten hinweisen, sind uns unsere Kundinnen und Kunden in der Regel sehr dankbar und wundern sich, warum sie das nicht von Anfang an eindeutiger formuliert haben. Nun, vier Augen sehen mehr als zwei, und Übersetzeraugen sehen (fast) alles.
Nach vielen Jahren in der Übersetzungsbranche können wir Calvinos Behauptung bestätigen: Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Verfasser (bzw. dem Technischen Redakteur) und dem Übersetzer ist die Grundvoraussetzung für einen gelungenen Text. Das hat selbstredend auch Vorteile für Ihr Zielpublikum bzw. den Erfolg Ihres Produkts im jeweiligen Land. Somit kann man sagen: Ist die Zusammenarbeit mit Ihrem Übersetzer gut, freut sich auch Ihr Endkunde! Und nebenbei sparen Sie sogar Zeit, Geld und nicht zuletzt Nerven.
Damit Übersetzer:innen gut mit Ihrem Text arbeiten können und die Übersetzung gelingt, können Sie bereits im Vorfeld die richtigen Weichen stellen. Doch zunächst fragen wir uns, was es unbedingt zu vermeiden gilt.
Wie mache ich meinen Übersetzer unglücklich?
Wenn Sie Ihre Fachübersetzer:innen unglücklich machen wollen, dann schicken Sie ihnen eine PDF-Datei. Das Portable-Document-Format wurde nicht dazu entwickelt, um verändert zu werden – im Gegenteil. Deshalb ist es sehr aufwändig, einen editierbaren Text daraus zu gewinnen, diesen Text zu übersetzen und danach die Formatierung und das Layout in Word wiederherzustellen. Dabei entsteht nicht nur mehr Arbeit, sondern auch eine Datei, die niemals die gleiche Qualität wie die Ausgangsdatei haben kann. Das Ergebnis: schlechtere Qualität, höhere Kosten. Und eine unglückliche Übersetzerin.
Wie mache ich meinen Übersetzer todunglücklich?
Schicken Sie ihm eingescannte Papierdokumente.
Bei Fotos und PDF-Dateien, die nicht digital erstellt wurden, sondern aus einem Scanner stammen, ist der Bearbeitungsaufwand erheblich größer, weil jede Seite mithilfe einer OCR-Software einzeln konvertiert werden muss. Dabei werden viele Wörter und Buchstaben nicht richtig erkannt und müssen manuell korrigiert werden. Bilder, Tabellen und Layout müssen stark bearbeitet sowie Eigennamen, Zahlen und Ähnliches müssen zusätzlich überprüft werden, bevor überhaupt mit der Übersetzung begonnen werden kann. In einem Wort: ein Graus.
Fazit: Ihre Fachübersetzerinnen benötigen editierbare Dateien.
Wie mache ich meinen Übersetzer glücklich?
1. Einsprachige Dateien vorbereiten
Häufig erhalten wir Dateien, die zweisprachig verfasst sind, das heißt es folgt nach einem Abschnitt auf Deutsch ein Abschnitt auf Englisch. Kundinnen und Kunden tun dies oft, um uns zu helfen. Doch leider behindern diese Mischtexte den Übersetzungsprozess, weil man alle nicht zu übersetzenden Texte vorher manuell ausblenden muss. Deshalb gilt: eine Datei, eine Sprache. Die anderssprachigen Referenzdateien beachten wir sehr gerne (wir bitten auch immer darum), es sollten aber separate Dateien sein. Haben Sie besondere Wünsche bzw. Anweisungen bezüglich der Übersetzungen? Dann packen Sie diese am besten ebenfalls in eine separate Datei.
2. So viel Kontext wie möglich liefern
Das Übersetzen von einzelnen Begriffen oder Wortgruppen ohne Kontext bedeutet einen erhöhten Rechercheaufwand und zwingt uns, viele Rückfragen zu stellen. Besonders aufwändig und somit kostenintensiv sind lange Listen, zum Beispiel in Excel-Dateien, die aus einzelnen Wörtern bzw. unvollendeten Sätzen bestehen. Ohne den Kontext zu kennen, in dem die Übersetzungen später erscheinen werden, können Übersetzer:innen nicht sinngemäß übersetzen oder laufen sogar Gefahr, Fehler einzuarbeiten.
3. In Excel-Dateien Sätze nicht auf mehrere Zellen verteilen
Fachübersetzer:innen arbeiten mit moderner Software, die den professionellen Übersetzungsprozess unterstützt. Hierbei handelt es sich nicht um maschinelle Übersetzungssoftware, sondern um Programme, die den Text in einzelne Sinnabschnitte, in der Regel Sätze, aufteilt. Werden Sätze über mehrere Zellen verteilt, erkennen diese Programme den Satz nicht mehr als Ganzes und die Bearbeitung wird umständlich. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass der Satzbau in der Zielsprache anders als in der Ausgangssprache ist und deshalb die Übersetzung der Zelle 1 in die Zelle 2 geschrieben werden muss.
4. In Word-Dateien Formatvorlagen und eingebaute Funktionen nutzen
Titel, Untertitel, Kopf- und Fußzeilen, Bildbeschriftungen usw. sollten nicht manuell formatiert (Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstände usw.), sondern mit Formatvorlagen angelegt werden. Das macht den Text nicht nur schöner und übersichtlicher, sondern erleichtert auch die Übersetzung.
Man kann beispielsweise in Handumdrehen ein Inhaltsverzeichnis erstellen und es nach der Übersetzung ganz schnell aktualisieren, ohne die Kapitelüberschriften und die Seitenzahlen anpassen zu müssen. Auch weitere automatisierte Funktionen in Word wie zum Beispiel Fußnoten, Index oder Querverweise sorgen für weniger Bearbeitungsaufwand während und nach der Übersetzung.
5. Richtige Spracheinstellung vornehmen
In Word, InDesign und vielen anderen Programmen kann man für jeden Text die gewünschte Sprache einstellen, um eine Rechtschreibprüfung durchzuführen und die Silbentrennung zu aktivieren. Ist zum Beispiel ein italienischer Text auf die deutsche Sprache eingestellt, wird nach den deutschen Regeln geprüft und getrennt. Das führt mit Sicherheit zu zahlreichen Fehlern, die den Übersetzungsprozess verhindern.
6. Word nicht wie eine Schreibmaschine benutzen
Viele Menschen nutzen Word immer noch wie eine herkömmliche Schreibmaschine und setzen zum Beispiel mehrfach Absatzzeichen ein, um auf eine neue Seite zu kommen, oder unzählige Leerzeichen, um zum Ende einer Zeile zu gelangen. Das führt zu kaskadenartigen Verschiebungen, sobald der Text verändert wird. Bei Übersetzungen verändert sich in der Regel auch die Textlänge. Unnötige Leerzeichen oder mehrfache Absatzzeichen müssen dann im Anschluss manuell gelöscht werden, um das Layout des Originals in der Übersetzung wiederherzustellen.
7. Abbildungen lokalisieren
Vor allem bei Handbüchern enthalten Bilder oft Texte, die nicht editierbar sind. Handelt es sich um Grafiken oder Diagramme, die ursprünglich mit Excel, PowerPoint bzw. einer Bildbearbeitungssoftware erstellt wurden, sollten diese Dateien dem Übersetzer zur Verfügung gestellt werden, damit er die Texte übersetzen und anpassen kann. Sind es besondere Bildformate, so müssen die Texte zusätzlich extrahiert und nach der Übersetzung wieder in die Bildbearbeitungssoftware eingespielt werden.
Bei Screenshots muss der Verfasser manuell eine Legende hinzufügen, damit auch diese Texte übersetzt werden können. Noch besser ist es, Abbildungen der bereits lokalisierten Bildschirmansichten und Screenshots zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollten Sie Bilder in Ihren Handbüchern nicht löschen, um die Dateien zu verkleinern. Denken Sie bitte immer daran: Ihre Fachübersetzer:innen brauchen so viel Kontext wie möglich.
8. Terminologie pflegen
Terminologie ist ein sehr weites Feld. An dieser Stelle sei nur so viel gesagt: Die erste Grundregel lautet „Ein Begriff, eine Benennung“. Genauso: ein Objekt, ein Name. Benutzen Sie für ein bestimmtes Konzept nicht mehrere unterschiedliche Wörter bzw. für ein Bauteil nicht mehrere Benennungen, sondern legen Sie eine Benennung fest, die (möglichst abteilungsübergreifend) verwendet werden soll.
So können Sie für sich bzw. für Ihren Betrieb ein Glossar pflegen, in dem steht, welche Benennungen für welche Konzepte und Objekte benutzt werden sollten und welche verboten sind. Diese Vorgehensweise ist auch ein Teil unseres Übersetzungsprozesses.
Tipp: Fügen Sie Ihrem Text im Anhang ein kleines Glossar mit den wichtigsten Begriffen und Abkürzungen hinzu – Ihre Leserinnen und Leser werden es Ihnen danken!
Tipp für Fortgeschrittene: Erstellen Sie einen internen Redaktionsleitfaden bzw. Styleguide, in dem Sie und Ihre Kolleg:innen beispielsweise festhalten, welchen Stil Ihre Texte haben sollen (formell oder informell mit der jeweiligen bevorzugten Anrede), welches Datum- und Zahlenformat verwendet werden soll und viele weitere Aspekte. So schaffen Sie ein einheitliches Bild in Ihrer Firmenkommunikation, um den Wiedererkennungswert Ihrer Marke weiter zu steigern.
9. Adobe InDesign-Dateien für die Übersetzung vorbereiten
Indd-Dateien können besondere Schwierigkeiten während der Übersetzung bereiten. Darüber haben wir ausführlich in unserem Blogbeitrag „Tipps und Tricks: Übersetzungsgerechte Dateien mit InDesign erstellen“ berichtet.
Fazit 2: Ihre Übersetzer:innen brauchen gut strukturierte und formatierte Dateien und so viel Kontext wie möglich.
Haben Sie weitere Fragen? Dann schreiben Sie uns!