Englisch digital twin
Italienisch gemello digitale
Russisch цифровой двойник
Portugiesisch gémeo digital
Französisch jumeau numérique
Spanisch gemelo digital
Im Anschluss an den Fachbegriff des Monats April (intelligente Fabrik) befassen wir uns heute mit einem damit eng verwandten Begriff, der auf der Hannover Messe heiß diskutiert wurde und als Leitmotiv durch beinah alle Vorträge ging: digitaler Zwilling.
Definition
Der digitale Zwilling ist das virtuelle Abbild eines realen materiellen Objekts oder Prozesses und kann beispielsweise zum Entwerfen von zukünftigen Modellen eingesetzt werden. Mehrere digitale Zwillinge können sowohl miteinander als auch mit der physischen Welt kommunizieren. So lassen sich ganze Produktionsumgebungen über den gesamten Lebenszyklus digital abbilden, um Abläufe zu analysieren und zu optimieren.
Als virtueller Prototyp eines realen Objekts oder Prozesses beinhaltet der digitale Zwilling alle relevanten Daten, inklusive Entstehungsgeschichte und Informationen zum aktuellen Zustand. Die Analyse dieser Daten ermöglicht eine umfassende Kontrolle, Prognose und Simulation von Betriebszuständen, um zum Beispiel den drohenden Ausfall einer Komponente vorherzusagen und rechtzeitig die Wartungsmaßnahmen zu ergreifen (Predictive Maintenance).
Durch das Aufkommen von Technologien wie Big Data und Internet of Things gewinnt der digitale Zwilling eine enorme Bedeutung für die Industrie 4.0.
Verwaltungsschale: digitaler Zwilling in der Industrie 4.0
Das Konzept der intelligenten Vernetzung von Menschen, Maschinen und Produkten im industriellen Umfeld machte in den letzten 10 Jahren eine rasante Entwicklung durch und wurde bereits vielerorts erfolgreich umgesetzt. Doch während die einzelnen Lösungen bereits ziemlich gut funktionieren, steigt der Bedarf nach Standardisierung und herstellerübergreifender Kommunikation immer mehr.
Die sogenannte Verwaltungsschale (AAS, Asset Administration Shell) ist die von Gremien (Plattform Industrie 4.0) entwickelte technische Umsetzung des digitalen Zwillings für die Industrie 4.0. Durch Normen und Spezifikationen definiert, ermöglicht die Verwaltungsschale eine weitgehende Integration von Bauteilen, Datenquellen und Systemen verschiedener Hersteller in einer Produktionsanlage. So entsteht für alle Partner ein gesamtes Ökosystem, das auf einem gemeinsamen Rahmen basiert.
Die Gegenstände (Assets) einer Verwaltungsschale sind Maschinen und einzelne Komponenten, Zuliefermaterial, Produkte, Software, Subsysteme und weitere Objekte, die am Datenaustausch innerhalb einer Industrie 4.0-Lösung teilnehmen sollen. Jeder Gegenstand bekommt seine eigene Verwaltungsschale, in der alle zugehörigen Informationen und Funktionalitäten in Form von Teilmodellen abgelegt werden. Ein Teilmodell ist eine Sammlung von Asset-Merkmalen zu einem bestimmten Thema. Zusammen mit der Verwaltungsschale bildet der physische Gegenstand eine I4.0-Komponente, die mit dem gesamten System kommuniziert.
Bei intelligenten Objekten befindet sich die Verwaltungsschale direkt am Gegenstand und bei nicht-intelligenten Objekten erfolgt der Zugriff auf die Verwaltungsschale häufig über eine Cloud.
Anwendung in der Praxis: Erzeugung der Produktdokumentation
Für alle, die sich mit Technischer Dokumentation und Übersetzungen befassen, sind insbesondere die Möglichkeiten interessant, verschiedene Dokumente wie technische Datenblätter, Produktkataloge o. Ä. anhand der Daten zu generieren, die in der jeweiligen Verwaltungsschale gespeichert werden.
So zum Beispiel speichert das Digitale Typenschild 4.0 als ein Teilmodell der Verwaltungsschale alle relevanten Informationen und Kennzeichnungen für den Vertrieb, den Transport und die sichere Nutzung eines Produktes in standardisierter digitaler Form. Die Links zu den Produktdokumentationen in allen verfügbaren Sprachen werden direkt in der Verwaltungsschale eingebunden.
Auf jedem Produkt wird ein entsprechender QR-Code bzw. RFID-Tag angebracht, der direkt vor Ort mit einem Smartphone oder Tablet-PC ausgelesen werden kann. So erhalten die Nutzer:innen sofort einen digitalen Zugriff auf aktuelle Dokumente, Produktzertifikate, Sicherheitshinweise und Wartungsinformationen. Das spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern bedeutet auch eine höhere Nachhaltigkeit durch den Wegfall der Papierdokumentation im Betrieb. Müssen dennoch Papierdokumentationen dem Produkt beigelegt werden, so werden mithilfe des digitalen Typenschildes nur die notwendigen Dokumente in der jeweiligen Landessprache ausgewählt, ausgedruckt und zusammen mit dem Produkt verpackt.
Weiterführende Informationen zu diesem spannenden Konzept bietet der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V. (ZVEI), der das Projekt Digitales Typenschild 4.0 zusammen mit der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und der Plattform Industrie 4.0 entwickelt. Lesen Sie weiter auf der Website des ZVEI.
Zur Autorin:
Dipl.-Ing. (FH) Olga Scharfenberg-Dmitrieva arbeitet seit über 23 Jahren als selbständige Fachübersetzerin mit Schwerpunkt Technik und Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Russisch. Als ausgebildete Technische Redakteurin ist sie eine Expertin im Bereich der Technischen Dokumentation und bietet hier ein Komplettpaket an Sprachdienstleistungen, inklusive Übersetzungsmanagement.