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Hier bloggt unser Team über relevante Themen in der Welt von Übersetzungen und Automatisierungstechnik.

Alltag einer Technikübersetzerin – Interview mit Elisabete Costa

In unserer Reihe „Alltag einer Technikübersetzerin“ werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Kernteams von Translators4Industry. Elisabete Costa, Olga Scharfenberg-Dmitrieva, Jessica Link und Nicole Maina erzählen aus ihrem Berufsalltag und berichten über ihre Tätigkeitsfelder Fachübersetzung, Technische Dokumentation, Terminologiearbeit, Projektmanagement, Dolmetschen, Revision und Marketing für ihre Kund:innen aus der Industrieautomation.

Heute spricht Jessica Link mit Elisabete Costa. Elisabete wohnt in Santa Comba Dão in Portugal und ist unsere Expertin für Portugiesisch. Sie hat sich auf die Bereiche Automatisierungstechnik und Robotik, Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau spezialisiert und übersetzt seit mehr als 20 Jahren Anleitungen für Maschinen, Handbücher für Fahrzeuge sowie Textbausteine für grafische Benutzeroberflächen.

Elisabete Costa an ihrem Arbeitsplatz

Jessica: Welche Aspekte gehören zu einer technischen Fachübersetzung?

Elisabete: Zu einer technischen Übersetzung gehören in erster Linie die richtige Terminologie und solides Fachwissen. Vor allem für die terminologische Konsistenz sind solche Dinge wie eine umfassende Recherche und Zugriff auf zuverlässige Fachwörterbücher bzw. Glossare enorm wichtig. Meine Erfahrung habe ich im Laufe der Jahre dazu genutzt, eine umfangreiche Datenbank mit Fachterminologie aufzubauen, auf die ich während meiner Arbeit zurückgreife und die ich regelmäßig mit neuen Begriffen aus den jeweiligen Fachgebieten erweitere. Für manche Projekte stellen meine Kund:innen zusätzlich ihre unternehmenseigene Terminologie zur Verfügung und sind in der Regel gerne bereit, eventuelle Rückfragen während der Bearbeitung ihrer Texte zu klären.

Auch moderne Übersetzungssoftware (wie z. B. Trados, MemoQ, Across oder Transit) gehört heutzutage zu einer technischen Übersetzung dazu und ist aus meinem Berufsalltag nicht mehr wegzudenken. Es handelt sich dabei um komplexe Translation-Memory-Systeme, die mich während meiner Arbeit unterstützen und diverse Funktionen zur Qualitätssicherung beinhalten. Im Unterschied zu einer maschinellen Übersetzung ersetzen diese sogenannten CAT-Tools keinesfalls den Menschen. Das heißt alle Übersetzungen werden von mir persönlich erstellt und kontrolliert. Viele Kund:innen setzen diese Systeme heutzutage für die Bearbeitung ihrer technischen Dokumentation voraus.

Jessica: Welche Arbeitsschritte umfasst der Auftrag?

Elisabete: Nach der Angebots- und Erteilungsphase beginnt jeder Auftrag mit der Vorbereitung der Dateien, die mehr oder weniger aufwendig sein kann, je nachdem ob das Projekt bereits vom Kunden in der gewünschten Übersetzungssoftware angelegt wurde oder ich selbst die Dateien entsprechend konvertieren muss.

Sobald die Projektdateien vorbereitet sind, beginne ich mit der Rohübersetzung der Texte. Während dieser Phase nutze ich häufig die Website des Herstellers, um Informationen über seine Produkte zu sammeln und bei Bedarf weiterführende Unterlagen, wie z. B. mehrsprachige Betriebsanleitungen anderer Geräte als Referenz herunterzuladen. Außerdem recherchiere ich Richtlinien, harmonisierte europäische Normen bzw. andere relevante Rechtstexte, die unter Umständen in der Konformitätserklärung der Maschine oder in anderen Teilen der Betriebsanleitung erwähnt werden. Handelt es sich um ein Spezialgebiet, in dem ich mich weniger auskenne, lese ich mich zuerst ausführlich in das Thema ein, etwa anhand von Fachliteratur oder akademischen Veröffentlichungen in meiner Zielsprache. Bereits in dieser Phase gelingt es mir grundlegende Fragen zur Terminologie zu eruieren. Dies ist auch der ideale Zeitpunkt, einen Fragenkatalog zu erstellen, um ihn im Vorfeld mit dem Kunden abzustimmen. Dieser Austausch und die frühzeitige Bereitstellung von Referenzmaterial bilden nicht nur die Grundlage für eine hochwertige Übersetzung, sondern vermeiden auch später unnötige Korrekturschleifen nach der Fertigstellung des Projekts.

Nach der Rohfassung der Übersetzung gehe ich im zweiten Durchgang bis ins kleinste Detail und achte besonders auf eine korrekte und verständliche Formulierung des Zieltexts sowie auf eine genaue Einhaltung der Kundenanforderungen, wie in etwa Angaben zu Terminologie, Längenbeschränkungen oder Textformatierung.

Danach lasse ich im Idealfall die Übersetzung mindestens einen Tag lang ruhen, bevor ich die einsprachige Datei im Zielformat Korrektur lese, um eventuelle Unstimmigkeiten zu beseitigen und die eine oder andere Kleinigkeit zu verbessern. Dabei achte ich auch auf die korrekte Formatierung der Zieldatei, die ich im Anschluss an den Kunden verschicke.

Handelt es sich um Aufträge, bei denen der Kunde das Layout selbst übernimmt, erwartet mich nach der Lieferung meiner Übersetzung noch eine Korrekturschleife, in der die Formatierung gesondert überprüft werden muss.

Jessica: Wie strukturierst Du deinen Arbeitstag?

Elisabete: Mein Arbeitstag beginnt ungefähr um 9 Uhr morgens (UTC), nachdem die Kinder versorgt und in der Schule sind. Zunächst beantworte ich E-Mails und Anfragen, die sich aufgrund des Zeitunterschieds zu Mitteleuropa schon in meinem Postfach befinden. Kleinaufträge und dringende Anfragen erledige ich meistens sofort, um weitere Verzögerungen zu vermeiden.

Nach einem kurzen Blick in die sozialen Netzwerke und auf das aktuelle Tagesgeschehen widme ich mich meinen Übersetzungen, Revisionen und anderen Projekten, die auf dem Tagesplan stehen. Hierzu gehören z. B. auch der Austausch mit meinen Kolleginnen von Translators4Industry sowie die Erledigung der anstehenden Aufgaben für das Netzwerk.

Elisabete Costa bei der Arbeit

Gegen Mittag mache ich eine Pause und bereite das gemeinsame Mittagessen für die Familie zu. Am Nachmittag arbeite ich weiter, bis es Zeit ist, die Kinder von der Schule abzuholen und (vor der Corona-Pandemie) zu ihren Freizeitaktivitäten zu bringen.

Im Laufe des Tages muss ich natürlich zwischendurch immer wieder eingehende E-Mails beantworten, Telefonate führen, Angebote erstellen und am Monatsende Rechnungen ausstellen und verschicken.

Jessica: Inwiefern wirkt sich der Zeitunterschied zwischen Portugal und dem DACH-Raum auf deine Arbeit als technische Übersetzerin aus?

Elisabete: Da dieser Zeitunterschied lediglich eine Stunde beträgt, halten sich die Auswirkungen in Grenzen und können manchmal sogar vorteilhaft sein. Wenn z. B. kurz vor Feierabend ein dringender Auftrag aus Deutschland eintrifft, kann ich diesen noch während meiner normalen Öffnungszeiten bearbeiten und liefern, damit der Kunde die akut benötigte Übersetzung zeitnah erhält. Liefertermine am frühen Morgen versuche ich grundsätzlich am Vortag zu erledigen, um Last-Minute-Verzögerungen aus unvorhersehbaren Gründen zu vermeiden. Außerdem ist den meisten meiner Kunden:innen der Zeitunterschied bewusst und sie wissen, ab wann ich erreichbar bin und sie mit einer Rückmeldung rechnen können. Wichtig für sie sind vor allem meine Zuverlässigkeit und Flexibilität.

Jessica: Wie garantierst Du Erreichbarkeit?

Elisabete: Während der normalen Geschäftszeiten bin ich grundsätzlich immer erreichbar, sei es per E-Mail, Smartphone, Festnetz oder über die sozialen Medien. E-Mails versuche ich möglichst umgehend zu beantworten und auf Anfragen reagiere ich in der Regel sehr schnell. Wenn ich mal nicht am Computer sitze oder unterwegs bin, checke ich regelmäßig meine E-Mails am Smartphone, um den Überblick zu behalten. So kann ich auch dringende Nachrichten zügig beantworten, selbst morgens kurz nach dem Aufstehen.

Im Falle einer absehbaren Verhinderung oder Abwesenheit (Urlaub, lokale Feiertage, usw.), sage ich meinen Kund:innen rechtzeitig Bescheid bzw. aktiviere eine automatische Abwesenheitsnotiz. Durch die Vernetzung mit den Kolleginnen von Translators4Industry ist im Notfall immer jemand erreichbar, der dringende Kundenanfragen beantworten und für mich einspringen kann.

Jessica: Thema Weiterbildung. Wie stellst Du sicher, dass Du im Bereich Industrieautomation, der einem ständigen Wandel unterliegt, am Ball bleibst?

Elisabete: Heutzutage ist es relativ einfach, sich online weiterzubilden und gerade zu Corona-Zeiten wurde das Angebot erheblich ausgebaut. Die diesjährige Ausgabe der Hannover-Messe z. B. hat komplett online stattgefunden und bot mir so die Gelegenheit, interessanten Fachvorträgen, Podiumsdiskussionen und Produktvorstellungen zu folgen und mich über die Neuigkeiten der Industrie zu informieren. Über unser Netzwerk Translators4Industry halten wir uns auch gegenseitig auf dem Laufenden, sodass wir möglichst keine wichtigen Veranstaltungen und Entwicklungen in der Automatisierungsbranche verpassen.

Werksbesuch bei der Keramikfabrik Revigrés im Februar 2019
Werksbesuch bei der Keramikfabrik Revigrés im Februar 2019

Aber auch schon vor der Pandemie habe ich meine Kenntnisse durch Fortbildungen, Webinare und Konferenzen stetig ausgebaut, unter anderem durch Teilnahme an Werksbesichtigungen, die regelmäßig von der Deutsch-Portugiesischen Industrie- und Handelskammer, bei der ich Mitglied bin, organisiert wurden. Selbstverständlich lese ich Zeitschriften und sonstige Fachliteratur über die jeweiligen Branchen, um meine Kompetenzen stets auf dem aktuellen Stand zu halten.

Jessica: Wie vereinbarst Du Familie und Beruf?

Elisabete: Als Mutter von drei Kindern muss ich zugeben, dass es im Laufe der Jahre nicht immer einfach war, Familie und Beruf zu vereinbaren, vor allem im Vorschulalter. Aber mittlerweile studiert meine älteste Tochter bereits und der jüngste Sohn kommt im Herbst in die 4. Klasse, sodass alle drei weitgehend selbstständig sind.

Die letzten Monate im Lockdown mit Distanzunterricht waren allerdings, wie für viele Familien in ganz Europa, auch für uns eine große Herausforderung. Da mir an vielen Tagen schlichtweg die notwendige Ruhe zum Arbeiten fehlte, musste ich meine Übersetzungen teilweise spätabends oder frühmorgens fertigstellen und manchmal auch aufs Wochenende ausweichen. Aber im Nachhinein muss ich feststellen, dass wir als Familie diese herausfordernden Zeiten ganz gut gemeistert haben.

Jessica: Was machst Du zum Ausgleich?

Elisabete: Da ich tagsüber überwiegend alleine bin und meine Arbeit eine hohe Konzentration erfordert, ist es für meinen Ausgleich sehr wichtig, mich mit Freunden zu treffen bzw. in Pandemie-Zeiten zumindest regelmäßig zu telefonieren.

Die körperliche Belastung durch das ständige Sitzen gleiche ich durch mein wöchentliches Pilates-Training aus, das ich glücklicherweise sogar während des Lockdowns online fortsetzen konnte.

Die wöchentlichen Proben meines Chors Magnus D‘Om, in dem ich leidenschaftlich Alt singe, mussten dahingegen aufgrund der Pandemie unterbrochen werden. Doch anlässlich des Europatags am 9. Mai hatte ich die Gelegenheit, an einem Projektchor teilzunehmen und die 9. Sinfonie von Beethoven mit Orchester zu singen, allerdings leider ohne Publikum.

Projektchor Coimbra Vocal vor dem Konzert am vergangenen 9. Mai

Jessica: Vielen Dank, Elisabete, für dieses aufschlussreiche Gespräch über den Alltag einer Technikübersetzerin für die Industrieautomation!