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Wem gehört die Übersetzung?

Disclaimer: Wir bieten mit diesem Artikel keine Rechtsberatung an, sondern einen kurzen Leitfaden zum Urheberrecht von beauftragten Übersetzungen.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben eine Broschüre auf Deutsch und möchten sie ins Englische übersetzen lassen. Sie stehen auch bereits in Kontakt mit einer potenziellen Übersetzerin für dieses Projekt. Ein Angebot liegt Ihnen zusammen mit den AGB der Übersetzerin vor. Sie lesen die AGB aufmerksam durch und stoßen auf den folgenden oder einen ähnlichen Passus:

Soweit durch die Leistung der Übersetzerin insgesamt oder in Teilen Werke im Sinne des Urheberrechtes geschaffen werden, kann der Auftraggeber die Werke in Ansehung der ihm zur Verfügung gestellten Leistung räumlich, inhaltlich und zeitlich unbeschränkt für den vertraglich vorgesehenen Zweck nutzen und verwerten. […] Eine Verwendung der Leistung der Übersetzerin über den vertraglich vorgesehenen Zweck hinaus bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Übersetzerin.

Anhand des Beispiels Ihrer Broschüre werden wir in diesem Artikel konkret zeigen, was dieser Passus für die Praxis bedeutet und was Sie bei der Auftragsvergabe berücksichtigen sollten. Doch vorher gibt es ein paar Hintergrundinformationen zum Urheberrecht in Deutschland.

Hintergrund

Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (im Folgenden „Urheberrechtsgesetz“) schützt unter anderem Sprachwerke wie Texte und Bildsprache. Ein wichtiger Aspekt für den Schutz ist, dass dieses Werk niedergeschrieben oder auf eine andere Weise festgehalten werden muss. Eine Idee ist folglich nicht geschützt. Darüber hinaus ist im Gesetz auch geregelt, dass die Übersetzung als selbständiges Werk geschützt ist, allerdings mit einer kleinen Einschränkung: Die Übersetzung muss eine „persönliche geistige Schöpfung“ darstellen. Neben dem eigentlichen Urheberrecht, das nicht abgetreten werden kann, sieht das Urheberrechtsgesetz auch Verwertungsrechte vor, die inhaltlich, zeitlich und räumlich eingeschränkt werden können. Eine inhaltliche Einschränkung der Nutzung einer Übersetzung wäre zum Beispiel ein Verbot, die Broschüre online auf Ihrer Website zu verwenden, wenn dies nicht ausdrücklich von der Übersetzerin gestattet wurde. Eine zeitliche Einschränkung wäre beispielweise die Beschränkung der Nutzung auf zwei Jahre, und eine räumliche Einschränkung eine Verwendung nur für Europa, aber nicht für die USA.

Was bedeutet das konkret für die Übersetzung Ihrer Broschüre?

Wir haben gesehen, dass Übersetzungen als selbständige Werke urheberrechtlich geschützt sind, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Allerdings ist das nicht immer der Fall. So stellt beispielsweise die Übersetzung einer Bedienungsanleitung bzw. die Übersetzung von Technischer Dokumentation sicherlich keine persönliche geistige Schöpfung dar.

Die Übersetzung Ihrer Broschüre wird dagegen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das Kriterium der „persönlichen geistigen Schöpfung“ erfüllen, denn gerade bei Werbematerialien wie Broschüren ist eine 1:1-Übersetzung des Ausgangstextes meistens nicht möglich. Eventuell müssen passende Wortspiele und Redewendungen in der Zielsprache gefunden bzw. Sätze aufgeteilt und gekürzt werden, damit Ihre Botschaft wie von Ihnen beabsichtigt beim Zielpublikum ankommt. Somit ist die Übersetzerin Urheberin der Übersetzung und dieses Urheberrecht kann nicht abgetreten werden. Man sagt auch, dass das Urheberrecht am Urheber „klebt“. Das heißt für Sie, dass Sie die Übersetzung nicht nach Belieben verwenden dürfen. In unserem Beispiel gewährt Ihnen die Übersetzerin jedoch eine räumlich, inhaltlich und zeitlich unbeschränkte Nutzung für den vertraglich vorgesehenen Zweck. Sie müssten sich bei diesem Beispiel keine Gedanken darüber machen, ob Sie die übersetzte Broschüre auch in 10 Jahren, in anderen Ländern als beispielsweise Deutschland bzw. online auf Ihrer Website und nicht nur in der Printversion verwenden dürfen. Allerdings werden diese Verwertungsrechte auf den vertraglich vorgesehenen Zweck beschränkt.

Checkliste für die Angebotsphase

Die folgende Checkliste kann Ihnen in der Angebotsphase helfen, die Nutzungsrechte für die Übersetzung bereits vor der Auftragserteilung zu klären:

  • Ist die Übersetzung eine persönliche geistige Schöpfung?
  • Für welchen Zweck benötige ich die Übersetzung? Wurde dieser Zweck vertraglich und eindeutig festgehalten?
  • Wo soll die Übersetzung verwendet werden (z. B. als Printversion oder online)?
  • Wie lange brauche ich die Übersetzung? Will ich die Übersetzung auch noch in 10 Jahren verwenden können?
  • In welchen Ländern möchte ich die Übersetzung verwenden?

Fazit

Das Urheberrecht an einer Übersetzung kann nicht abgetreten werden. Allgemeine Rechte an der Übersetzung gehen nicht mit der Bezahlung einer Rechnung an den/die Auftraggeber:in über. Klären Sie im Vorfeld, ob Ihre Übersetzung durch das Urheberrecht geschützt ist oder nicht. Vereinbaren Sie die Nutzungsrechte an Übersetzung am besten immer bereits in der Angebotsphase, denn urheberrechtlich geschützte Werke sind keine Ware, die einmal vergütet wird und über die man im Anschluss frei verfügen kann.

Copyright unter der Lupe